Mit 16 Jahren erfüllte sich Mathias Henckels seinen Traum vom Fliegen. Nachdem er zuvor Luftsport als begeisterter Modellflieger betrieben hatte, ging er von nun an selbst in die Luft. Im Winter 2013 begann er bei der Luftsportgruppe Erbslöh Langenfeld seine Ausbildung als Segelflugpilot. Die Fliegerkarriere war ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt: Vater Andreas war seit 1968 passionierter Segelflieger, ebenfalls bei den Langenfelder Segelfliegern.
Doch am 5. Mai 2016, nach über 150 Starts, vielen Alleinflügen mit ASK18, ASK 23 und LS4 und kurz vor seiner Lizenzprüfung, drohte der Traum zu platzen. Mit dem Mountainbike fuhr Mathias in Villingen Downhill und verunglückte schwer. Mit zahlreichen schweren Verletzungen flog ihn der Rettungshubschrauber ins Krankenhaus. Die Ärzte retteten mit einer Notoperation sein Leben, doch durch einen Bruch der Wirbelsäule zwischen dem 5. und 6. Brustwirbel blieb er querschnittsgelähmt. Wider allem Anschein sollte dies aber doch nicht das Ende des Traums sein. Noch während seines Krankenhausaufenthaltes und der folgenden Reha gaben ihm seine Fliegerkameraden nach Kräften Unterstützung und machten ihm Mut, das Fliegen trotz allem nicht aufzugeben.
Den ersten Schritt zurück in die Luft machte Mathias ein gutes Jahr nach seinem schicksalhaften Unfall am 5. Juli 2017: Über die Fliegerkameraden Wolfgang Joschko und Elmar Fischer gewann er den Kontakt zum Luftsportclub Bad Homburg, der über einen Duo Discus mit Spezialsteuerung für mobilitätseingeschränkte Piloten verfügt. An einem Flugtag während des dortigen Sommerlagers platzierte der Cheffluglehrer des Vereins, Peter Frisch, den Burscheider persönlich im Cockpit.
Nach dem Start vom Flugplatz Anspach kurbelte Mathias den Duo über zwei Stunden lang über den Taunus. Mathias über die ihm bis dahin unbekannte Art der Steuerung: „Zuerst war es ja etwas ungewohnt, aber nach einiger Zeit klappte es ganz gut.“ Stolz konnte er am Ende des Tages seinen ersten Streckenflug in die OLC-Datenbank einstellen: 96 Kilometer mit einem Speed von 46 km/h hatte er von Anspach über Reichenbach, Langgöns, den großen Feldberg und zurück nach Anspach geschafft.
Damit hatte er auch seine Fliegerkameraden von der LSG Erbslöh und vor allem Cheffluglehrer Jochen König und den Vorstand überzeugt. Jochen hatte Mathias schon kurz nach dem schweren Unfall auf der Intensivstation Mut gemacht, das Fliegen nicht aufzugeben. Der Vorstand beschloss, dem Vorbild des Bad Homburger Vereins zu folgen und ebenfalls ein Flugzeug mit Handsteuerung für mobilitätseingeschränkte Piloten auszurüsten.
Das passende Flugzeug war schnell ausgemacht: Der Verein nutzt neben zwei ASK 13 auch eine ASK 21 in der Ausbildung, für die Alexander Schleicher Segelflugzeugbau in Poppenhausen eine Handsteuerung des Seitenruders anbietet. Der Vorstand um den Vorsitzenden Jürgen Blome streckte seine Fühler aus und suchte nach Sponsoren, die dem Verein den Kraftakt ermöglichen, das Erlebnis Segelfliegen auch mobilitätseingeschränkten Piloten zu ermöglichen. Und dazu gehört mehr als die Ausrüstung eines Flugzeugs: Auch die sanitären Anlagen des Flugplatzes müssen entsprechend barrierefrei hergerichtet werden. Insgesamt ist dies ein Aufwand in Höhe eines gut fünfstelligen Eurobetrages.
Der Langenfelder Verein gewann die Unterstützung nicht nur von Mathias‘ Familie, sondern auch die der Stadt-Sparkasse Langenfeld, der Aktion Mensch e.V., der Rolliflieger und des Landesverbandes NRW des Deutschen Aero-Club. In Winter 2017/18 baute die Aero Concept GmbH Merzbrück im Auftrag des Langenfelder Vereins die zusätzliche Handsteuerung in die ASK 21 ein.
Mit Hilfe der Sponsoren ermöglicht die LSG Erbslöh künftig Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Ausbildung zum Segelflugpiloten und die Teilnahme am Flugbetrieb. Sie werden das Flugzeug nach ihrer theoretischen und praktischen Ausbildung und nach dem Erwerb der notwendigen Pilotenlizenz eigenverantwortlich fliegen können – so wie jeder andere ausgebildete Pilot auch.
Parallel zur Umrüstung des Flugzeugs baut der Verein seine sanitären Einrichtungen im Vereinsheim am Graf-von-Mirbachweg in Langenfeld mit Unterstützung der Stadt-Sparkasse Langenfeld barrierefrei aus. Insgesamt investiert die Luftsportgruppe Erbslöh in den barrierefreien Ausbau ihrer Liegenschaft und des fliegenden Materials rund 25.000 Euro. Einen wesentlichen Anteil erbringen die Vereinsmitglieder in Eigenleistung.