Fliegende Geschichten – Wie aus Visionen Wirklichkeit wurde

Seit 1950 prägt die Luftsportgruppe Erbslöh ein ganz eigenes Stück gelebte Luftfahrtgeschichte. Was mit Sperrholz und viel Idealismus begann, hat sich zu einem modernen Segelflugzentrum entwickelt. Hier erzählen wir von der ersten Seilwinde, selbstgebauten Flugzeugen, über Fliegerlager in ganz Europa bis zur Digitalisierung des Vereinsalltags.

„Wir haben kein Geld, aber genug Kaffee, um die Nächte durchzubauen.“

1950, in der Gaststätte Cohnen in Leichlingen, versammeln sich eine Handvoll Idealisten mit einer gemeinsamen Vision: Sie wollten fliegen – nicht irgendwann, sondern jetzt.

Der Verein ist schnell gegründet, doch an Flugzeugen, Flugplatz und Startwinde fehlt es. Was folgt, ist eine wahre Kraftleistung: In Wohnzimmern und Werkstätten werden Spanten gesägt, Rippen verleimt und Stoffbespannungen aufgezogen.

Dieses Flugzeug, vom Typ Ka 2, hebt am 14.8.1955 zur Eröffnung des Flugplatzes mit Fluglehrer Gauß als Pilot und Bürgermeister Anton Schmitz als Ehrengast zum Jungfernflug ab.

Der Leim war alle – mitten in der Nacht, kurz vor dem Verpressen der letzten Tragflächenrippe. Kurzerhand schwang sich einer der Bastler auf sein Fahrrad, fuhr kilometerweit durchs dunkle Leichlingen, klopfte den Tischler seines Vertrauens aus dem Schlaf und kehrte mit einem halbvollen Marmeladenglas voll Holzleim zurück. Am nächsten Morgen war die Rippe dran – und der Verein um eine Geschichte reicher.

Das erste Flugzeug, ein Grunau Baby III, entsteht im Eigenbau – mit handwerklichem Geschick, geborgten Werkzeugen und Improvisationsgeschick.

Für DM 60,– werden die Baupläne für ein Grunau Baby III gekauft. Dessen Rippen entstehen in den Küchen verschiedener Mitglieder und in einer Langenfelder Schule. Die Helling wächst in einer Garage und am Rumpf wird im städtischen Jugendheim gearbeitet.

Der Zusammenbau erfolgt schließlich bei der Firma Becker und Bernhardt. Das Material wird zum größten Teil per Motorrad herbeigeschafft. Seine Ladefähigkeit steht im Einklang mit dem zur Verfügung stehenden Geld.

Getauft wurde dieses erste Flugzeug schließlich im August 1954, nur fliegen konnte es nicht, denn Flugplatz und Winde fehlten ja noch.

Noch keine Fusion mit der Hildener Gruppe

Um endlich fliegen zu können, stand eine Fusion mit der Hildener Gruppe zur Debatte. Doch hierzu gab Hans Spieth keine Zustimmung. Ihm gelang der erste, aber entscheidende Schritt für den Langenfelder Segelflug. Gegen unzählige Bedenken und Einsprüche erreichte er mit Hilfe des Bürgermeisters Anton Schmitz die Zulassung des Flugplatzes an der Jahnstraße.

Hans Spieth spürte in Hamburg bei einem Schrotthändler einen alten Maybach-Motor für den Eigenbau der Seilwinde auf. Vor Ort entpuppte sich das Stück als neuwertig – doch mit gespieltem Jammer über den „alten Schrott“ handelte er es auf 700 DM herunter.

1955 begann der Flugbetrieb und endete damals mit dem Transport der Flugzeuge zur Unterbringung bei Fa. Becker und Bernhardt. Die hierfür benutzten Fahrzeuge gehörten eigentlich schon damals ins Museum. Einmal stellte die Polizei erschrocken fest, dass das Nummernschild noch aus Kriegszeiten stammte.

Zwei Jahre dauerte es bis Anfang 1960 die in Eigenregie gebaute Halle bezogen werden konnte und den wirtschaftlichen Aufschwung untermauerte.

Doch nur ein Jahrzehnt später wurden Nerven und Geduld der Segelflieger erneut herausgefordert als sich abzeichnete, dass der gerade lieb gewonnene Platz wegen geplanter Wohnbebauung auf Dauer nicht zu halten war.

Eine neue Pilotengeneration wächst heran – Meilensteine in der Flugausbildung

Schon halb im Landeanflug, schlug das Vario wie von Geisterhand aus. Klappen rein, Herz raus, weiter – und am Ende neben dem Tagessieg sogar der Gesamtsieg in der Ka 8-Klasse!

– 1975, Dirk Westermann beim Vergleichsfliegen in Radevormwald

Die „Aachen-Brigade“ – 1976 war das Jahr, in dem alles ein wenig anders lief: Überlandflüge waren plötzlich kein Abenteuer für Altgediente, sondern Teil der Ausbildung.

Im Sommerlager formierte sich eine bemerkenswerte Gruppe junger Piloten – später intern als „Aachen-Brigade“ bezeichnet. Klaus Kruber, Gerd Kalinowski, Bernd Kaspers, Joachim Schramm, Guido Korthauer, Franz Lahrmann, Ralf Devantier – sie alle flogen unter Anleitung und mit der nötigen Portion Selbstvertrauen zur 50-Kilometer-Marke nach Aachen-Merzbrück. Das Vorhaben war Teil einer neuen Schulungsordnung, die schon während der Ausbildung einen Überlandflug vorsah.

Einige landeten vorher, andere kamen tatsächlich an. Einer verpasste die Ziellinie um wenige Kilometer, weil er „zu neugierig auf die Landschaft war“. Einer feierte seinen Flug später mit Fanta aus der Thermoskanne. Fluglehrer Heinz Lork kommentierte trocken: „Wir haben nicht nur Thermik geschult – wir haben Selbstbewusstsein ausgebildet.“

Die Flüge war nicht nur sportlich bedeutend, sondern auch politisch: Sie gehörten zu einem bundesweiten Versuch, die Segelflugausbildung moderner und praxisnäher zu gestalten.

Die Landesregierung schaute genau hin – und zeigte sich beeindruckt. Die Flüge waren keine Rekorde, markierten aber einen wichtigen Meilenstein, der bis heute den Höhepunkt der Segelflugausbildung darstellt.

Der alte Platz in Langenfeld Langfort war wegen zunehmender Wohnbebauung nicht länger tragbar. Doch die Stadt sicherte den Weiterbetrieb bis ein neues Gelände gefunden war. Links: Luftaufnahme aus 1981; Rechts: Kartenausschnitt der heutigen Situation.

„Als Chronist möchte ich hoffen und wünschen, dass die geschaffene Basis noch vielen Generationen von Segelfliegern dient, dass die Ausbildung junger Piloten und die fliegerische Leistung gleichermaßen erfolgreich ist, wie ein bleibender Mosaikstein in der faszinierenden Welt des Segelfluges, die einst Otto Lilienthal schuf.“

– Horst Viebahn


Der vier-köpfige Bauausschuss (von links: Helmut Broch, Karl-Heinz Herbertz, Horst Hermann, Erich Schulze); KI-generiertes Bild basierend auf Originalaufnahmen.

Anfang der 1970er nahm Helmut Broch Kontakt mit Graf Mirbach auf – dem damaligen Besitzer eines Wiescheider Geländes, das aus Sicht der Luftsportgruppe das Zeug zur neuen Heimat hatte. Der alte Flugplatz war auf Dauer nicht zu halten.

Was dann folgte, war keine kurze Platzrunde, sondern ein mehrjähriger Streckenflug durch Verwaltungsdeutschland. Es wurden Gespräche geführt, Gutachten eingeholt, Bedenken zerstreut und Kaffee in Amtsstuben getrunken. Mal war man fast am Ziel, dann wieder gefühlt in der Warteschleife über Düsseldorf.

Doch im November 1977 kam endlich die Nachricht: Genehmigung erteilt! Die Landesregierung hatte ihre Hausaufgaben gemacht – und die Stadt Langenfeld hielt Wort: „Ihr könnt so lange auf dem alten Platz bleiben, bis der neue genehmigt ist.“ Für die Luftsportler war das wie ein Seilriss mit anschließender Thermik.

Während auf dem alten Platz weiter geflogen wurde, standen in Wiescheid bereits die ersten Helfer in Gummistiefeln mit Zollstock und Bauhelm bereit. Helmut Broch und sein vier-köpfiger Bauauschuss mit Karl-Heinz Herbertz, Horst Herrmann und Erich Schulze übernahmen die Koordination.

Die Halle wuchs, das Vereinsheim bekam Fenster – alles lief wie geschmiert. Nur: Fliegen konnte man noch nicht. Ein kleines Waldstück im Osten blockierte die Startbahn. Wochenlang tat sich nichts. Dann veröffentlichte die Presse einen kurzen Artikel mit der Überschrift: „Bäume hindern Segelflieger am Start auf neuem Platz“. Über Nacht kam die Rodungsgenehmigung. Am nächsten Tag fiel der Wald.

Bevor das erste Flugzeug abhob, lud man die neuen Nachbarn ein. Die Kulisse: ein Segelflieger auf dem Rasen, Thermoskannen voller Glühwein, Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt – aber dafür jede Menge warme Worte. Und siehe da: Die Wiescheider waren neugierig, freundlich – und bald: begeistert.

Am 17. April 1981 hob das erste Flugzeug in Wiescheid ab. Was folgte, war ein fliegerischer Frühling: über 2.000 Starts allein in der ersten Saison, ein Ferienlager am eigenen Platz für den Nachwuchs und ein Flugplatzfest.

500 km mit der Ka 8 – das ist wie Alpenüberquerung mit dem Klappfahrrad.

Mit bangen Blicken auf den Höhenmesser, auf eigene Faust mit der Karte auf dem Knie, den Barographen im Rücken – die frühen Überlandflüge sind Geschichten voller Mut, Orientierungssinn und meist einer Außenlandung. Und genau deshalb erzählen wir sie immer wieder gerne.

Das Ereignis wurde prompt in einem frühen Jahresheft illustriert.

Seit 1976 zieht es uns jeden Sommer mit Sack und Pack in alle Himmelsrichtungen – von Dänemark bis Slowenien, von der Schwäbischen Alb bis zur polnischen Grenze. 40 Fliegerlager, 40-mal Zelt, Seilriss und Sonnenbrand. Und mittendrin: jede Menge Geschichten, Freundschaften und Flugstunden. Hier blicken wir zurück auf über vier Jahrzehnte Lagerleben zwischen Thermik, Teamgeist und Camping-Romantik.

Im Rückblick zeigen sich nicht nur viele Geschichten, sondern auch eindrucksvolle Zahlen:

Längster dokumentierter Streckenflug: über 500 km – 2010 von Idar-Oberstein bis zur Müritz

Ø Lagerstarts pro Jahr: ca. 380 (basierend auf Lagerberichten)

Meiste Starts: 2006 (Hayingen) mit über 500 Starts

Beliebteste Flugzeuge: Ka 8, ASK 13, später ASK 21

Meistgewählter Lagerort: Mönchsheide und Hayingen (mind. 3 Lager)

Hallenbau, Technik, Integration – Strukturwandel im Zeichen von Wachstum und Verantwortung

Wer Zukunft will, muss Raum schaffen: für Ideen, für Technik und für Menschen.

Seit ihrer Gründung steht die LSG Erbslöh für gelebten Pioniergeist. Es wurden Flugzeuge eigenhändig gebaut, Hallen in Eigenleistung errichtet und wegweisende Entscheidungen wie die Fusion mit der LSG Kesselsweier getroffen. Auch die jüngsten Infrastrukturmaßnahmen wurzeln in dieser Haltung: Sie sind Ausdruck von Verantwortung, Gestaltungswille und handwerklicher Kompetenz – über Generationen hinweg.

Die Vereinsflotte wurde technisch und fliegerisch stets weiterentwickelt: Leistungsstarke Segelflugzeuge wie LS8-18, Duo Discus X, Discus 2b und Arcus T wurden mit modernen, einheitlichen Avioniklösungen ausgestattet und machen den Flugbetrieb heute effizient, sicher und wettbewerbsfähig.

Mit dem Umstieg auf Ultraleicht-Schleppmaschinen endete eine Ära. Die neue Schleppgeneration ist leiser, sparsamer und flexibler – und ersetzt zuverlässig die langjährige Remorqueur, seit Jahrzehnten das Arbeitstier im F-Schleppbetrieb der LSG.

Die Einführung der Elektro-Winde markiert einen weiteren Meilenstein in Richtung nachhaltiger Starttechnik. Energieeffizient, wartungsarm und flüsterleise. Parallel wurde der Anrollstreifen asphaltiert – ein Schritt, der den Flugbetrieb auch bei anspruchsvollen Bedingungen und mit zunehmend schweren Segelflugzeugen zuverlässig sichert.

Kontinuierlich wurden die Vereinsräume modernisiert, die Heizung auf Gas umgestellt, eine weitere Flugzeughalle mit Photovoltaikanlage und durch viel Eigenleistung geschaffen – vorausschauend, pragmatisch, zukunftsfähig.

„Was wir aus Kesselsweier gewonnen haben, ist nicht nur Technik und Struktur – es sind Menschen, auf die wir heute nicht mehr verzichten möchten.“

– Peter Hecker, 1. Vorsitzender zum Zeitpunkt der Fusion

Fusion mit der LSG Kesselsweier – Erfahrung, Werte und Können gingen mit auf

Ein besonderes Kapitel in der jüngeren Vereinsgeschichte war die 2013 vollzogene Fusion mit der LSG Kesselsweier. Damit ging nicht nur eine rechtliche Verschmelzung einher, sondern der Zusammenschluss zweier gewachsener fliegerischer Kulturen.

Aus Kesselsweier kamen nicht nur Flugzeuge und Ausrüstung, sondern auch Sachverstand, handwerkliche Erfahrung und fliegerisches Können.

Die neuen Vereinsmitglieder brachten neue Impulse in Ausbildung, Werkstatt, Streckenflug und Vereinsorganisation.

Die „Kesselsweierer“ sind seit dem bereits früh gelebten Zusammenschluss Mitgestalter und prägen die Luftsportgruppe bis heute – mit handwerklichem Können, fliegerischer Erfahrung, klarer Haltung und einem Gemeinschaftsgeist, der weit über den formalen Zusammenschluss hinauswirkt.